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Österreichs Friedensmission auf Kreta 1897 - 98 |
Vorgeschichgte |
Im Zuge des Wiener Kongress 1815 wurden unter anderem Dalmatien mit den Häfen Ragusa und Cattaro,zugesprochen, womit die Habsburgermonarchie einen entscheidenden Einfluss in der Levante, wie die Region des Südbalkans und das östliche Mittelmeer damals genannt wurden, gewonnen. Ab den 20-er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde Triest nicht nur zum Hauptumschlagplatz für den Warenverkehr, sondern auch Flottenbasis der bis dato stiefmütterlich behandelten kaiserlichen Kriegsmarine. Um der dringenden Forderung der Handelsschiffart nachzukommen, sah sich Österreichs militärische Führung gezwungen, den Ausbau der Flotte zu forcieren, so dass sie im Laufe der nächsten Jahrzehnte in der Lage war, den Mittelmeerraum im Verein mit den anderen Seemächtennachhaltig zu sichern. Als Österreich im Berliner Kongress von 1878 das Mandat über Bosnien-Herzegowina zugesprochen wurde, kam noch ein vitales Interesse an der politischen Entwicklund der gesamten Balkanregion und damit eine enge politische Verknüpfung mit dem Osmanischen Reich hinzu. Daraus ergab sich zwangsläufig die politische Verpflichtung des Eingreifens, sei es zur Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Interessen, aber auch zum Schutz von Verfolgung und Misshandlung bedrohter Volksgruppen. Österreichs Rolle in der Balkanpolitik des 19. Jahrhunderts mag zwar von den imperialen Vorstellungen, wie sie zu dieser Zeit üblich waren, getragen sein, im Gegensatz zu den mitbeteiligten Großmächten, wie Großbritannien, FrankreichFehlern, Italien und dem Deutschen Reich, für die das Mittelmeer die strategische Basis und Zugangsmöglichkeit ihrer Kolonien war, beschränkten sich Österreichs Interessen lediglich auf den Zugang zu den Handelsplätzen des Nahen Ostens. Im internationalen Orchester des sogenannten Europäischen Konzerts, das zur Schlichtung der Kreta-Krise angestimmt wurde, haben Österreichs Politiker ein erstaunlich hohes Maß an Taktgefühl bewiesenl und weitgehend keine Dissonanzen verursacht. |
Dem Beispiel Griechenlands folgend, das seine Unabhängigkeit nach einem dank europäischer Hilfe erfolgreichen Aufstand erkämpft hatte, wurde auch die mehrheitlich aus Christen bestehende Bevölkerung in den übrigen europäischen Landesteilen des Osmanischen Reiches, vom dem Wunsch Unabhängigkeit von der Herrschaft des Sultans erfasst. Eine latent herrschende Unzufriedenheit über die Verwaltung und die sehr unterschiedliche Vorgangsweise der Behörden führten immer wieder zu Aufständen, verbunden mit Massakern, die gleichermaßen von Aufständischen wie den türkischen Truppen im verübt wurden. So war auch die unter osmanischer Herrschaft stehende Insel Kreta in den Jahren 1857, 1866-68, 1879 und 1889 Schauplatz zahlloser Revolten, welche die Selbstbestimmung und den Anschluss an das Königreich Griechenland, zum Ziel hatten. Am 31. August 1876 folgte der junge und vielversprechende Abdülhamid II. seinem Bruder Murad V., der nach nur dreimonatiger Herrschaft wegen Regierungsunfähigkeit abgesetzt worden war, auf den Thron des Sultans nach. Was er vorfand, waren drohender Staatsbankrott, Aufstände in Bosnien und Herzegowina und Bulgarien, sowie Krieg mit Serbien und Montenegro. Trotz dieser Verhältnisse versuchte er seine Reformbereitschaft zu demonstrieren, die liberale Reformbewegung und erließ eine Verfassung, die die Einführung eines parlamentarischen System ermöglichen sollte hätte. Doch von den verheerendern Folgen des türkisch-russischen Kriegs 1877 überfordert, setzte er die Verfassung außer Kraft und wandte sich wieder dem autoritären despotischen Führungsstil seiner Vorgänger zu. |
Das hatte schlielich zur Folge, dass mit den Ausgehenden 70er-Jahren der gesamte Balkan in Aufruhr stand und die Großmächte sich zum Eingreifen veranlasst sahen. Die sollte jedoch nicht durch eine militärische Intervention, sondern in eine aud diplomatischen Wege edrzielte, dauerhafte Friedensordnung erfolgen. Dazu versammelten sich Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland, Deutschland und Österreich auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck am 13. Juni 1878 zum Berliner Kongress. Neben den Großmächten und den Abgesandten des Osmanischen Reichs waren auch die Vertreter Griechenlands, Rumäniens und Serbiens, die zwar kein Stimmrecht hatten, anwesend. Das Ergebnis der Beratungen war der Berliner Friede vom 13. Juli 1878, der die Fürstentümer Rumänien, Serbien und Montenegro, für souverän und Bulgarien als Fürstentum unter osmanischer Oberhoheit erklärte. Durch diese Gebiets- und Herrschaftsveränderungen wurde die Macht der Türkei in Europa und Asien erheblich geschwächt, aber auch der Einfluss Russlands zu Gunsten Österreichs eingeschränkt, indem es mit der Okkupation Bosniens und der Herzegowina beauftragt wurde. Damit war das Orchester der Großmächte und seiner Mitspieler zumEuropäischen Konzerteingestimmt. Um den Türken die erlittenen Enttäuschungen etwas zu mildern, wurden die Ansprüche der Griechen auf Gebiete nördlich von Thessalien abgewiesen und auf spätere Zeiten vertröstet, der Anschluss von Kreta aber kategorisch abgelehnt. Im Gegteil - man war vielmehr bestrebt, dem Kranken Mann am Bosborus unter die Arme zu greifen und gegen die feindliche Umwelt zu schützen. |
Am 13. Juni 1878 eröffnete Bismarck den Berliner Kongress. Die Großmächte entsandten je 2 Vertreter: Graf Andrássy und Heinrich von Haymerle (1828-1881) für Österreich-Ungarn, Benjamin Disraeli (1804-1881) und Robert Arthur Salisbury für Großbritannien, Alexander Gortschakow (1798-1883) und Peter Schuwalow (1830-1903) für Russland, William Henry Waddington (1826-1894) und Paul Desprez für Frankreich, Alexander Carathéodory und Mehmed Ali für die Türkei. Die in Berlin akkreditierten Botschafter dieser Länder nahmen als weitere Bevollmächtigte an den Verhandlungen teil. Italien war mit nur zwei Bevollmächtigten vertreten: Luigi Corti (1823-1888) und Eduardo de Launay. zurück zum Inhaltsverzeichnis |
Die seit 1651 unter osmanischer Herrschaft stehende Insel Kreta, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nachdem Griechenland seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangt hatte, ebenso zum Unruheherd geworden, sollte durch
das seit 1868 geltende organische Reglementruhig gestellt werden. Dieses Reglement mussten die Osmanen nach Beendigung des griechischen Freiheitskampfes unter dem Druck der Großmächte erlassen, um die rechtliche Gleichstellung und Religionsfreiheit aller Untertanen des Sultans auf der Insel zu gewährleisten. |
Kreta am Beginn der Jahrhundertwende
Die Unruhen der vergangenen Jahrzehnte, sowie eine desolate Verwaltung hatten das ohnehin bescheidene Wirtschaftsleben Kretas schwer geschadet. Die Häfen waren in desolatem Zustand, begannen zu versanden, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft litten unter der zunehmenden Verunsicherung und fehlender Perspektiven. |
Entsprechend einer 1887 abgehaltenen Volkszählung lebten in den späten 90er-Jahren auf der Insel etwa 300.00 Personen, wovon sich mehr als zwei Drittel als griechisch-orthodoxe Christen ausgaben und rund 90 000 zum Islam bekannten. Davon gab es nur wenige ethnische Türken, da der Zuzug vom türkischen Festland gering war. |
Halepa 1866 |
Das Griechische Konsulat |
Straßenszene um 1866 |
Gut gemeint jedoch infolge zögerlicher Umsetzung unwirksam, folgte die Krisenjahre von 1876/78, bis die Großmächte im Berliner Kongress, der Balkanregion eine nachhaltige Friedensordnung aufzwangen. So wurde die Pforte erneut ermahnt, den im Organischen Reglement von 1876 festgelegten Verpflichtungen nachzukommen. 4 |
Mit der Bestellung von Gouverneur Adossides Pascha hatte die Pforte einen geeigneten Mann gefunden, der die Verhandlungen mit den Kretern in Augenhöhe zu führen bereit war. |
Schikanen und Rechtsberüche seitens der türkischen Verwaltung fiel es Venezelos und seinen Anhängern nicht schwer, den Unmut der griechischen Bevölkerung zu schüren. |
Die Zusagen einer großzügigen Unterstützung durch Waffenlieferungen und Finanzmittel seitens der griechischen Regierung gaben schließlich den Ausschlag zur Erhebung - diesmal mit berechtigter Hoffnung auf Erfolg. |
Gegen die Aufständischen konnten die Türken etwa 12 000 Mann einsetzen. Sie konzentrierten sich vorwiegend auf die befestigten Städte, Festungen wie Akrotiri, Izedim, Subaaschi und Melaxa. Zum Schutze muslimischer Siedlungen auf dem flachen Land gab es noch Blckhäuser, die in Zugstärke besetzt waren. Insgesamt waren 15 Bataillone Infanterie, 2 Eskadronen Kavallerie, 4 Batterien Feldartillerie und 9 Festungs-Artillerie Kompanien auf Kreta stationiert. |
Durch das weitflächige Auftreten der Aufständischen und deren Überzahl, war das ürkische Militär gerade noch in der Lage, den Schutz der Bevölkerung in den Städten zu gewährleisten, während die muslimische Bevölkerung auf dem flachen Lande schutzlos den Angriffen der Freischäler ausgesetzt war. Die stellenweise erfolgten Revancheakte der Türken, insbesondere der paramilitärischen Bashi-Bazouks bewirkten, dass die Ausschreitungen noch mehr eskalierten und auch auf die ausländischen Bewohner der Insel erstrecken konnten. Die zunehmende Besorgnis der in Canea stationierten Konsuln der Großmächte führte schließlich zu gegenseitigen Konsultationen, mit dem Ergebnis, dass nur ein gemeinsames Vorgehen zur Beruhigung der Lage führen könne. Am 27. Mai 1896 gab der österreichisch-ungarische Konsul Julius Pinter() dem österreichischen Außenminister Graf Agenor Goluchowski einen detaillierten Bericht über die Situation auf der Insel und empfahl die Entsendung eines Kriegsschiffes, das den Schutz der österreichen, wie auch der deutschen Staatsangehörigen, die er zu vertreten hatte, gewährleiste3n könne. Noch am selben Tag veranlasste Goluchowski die Entsendung des Panzerkreuzers S.M.S. Maria Theresia in die kretischen Gewässer. |
Das galt auch für die anderen Mitspieler im Europäischen Konzert indem sie die nötigen Maßnahmen zur Sicherheit ihrer Staatsangehörigen auf der Insel eingeleitet und mehrere Schiffseinheiten vor Kreta versammelt hatten. Die österreichische Initiative führte schließich zur Bildung einer Kommission, der schließlich auch die Briten angehörten, nachdem sie ihre Bedenken, einer der Mitspieler könnte sein eigenes Süppchen kochen, aufgegeben hatten. Damit war der erste Schritt des Krisenmanagements für das Europäischen Konzert eingeleitet, um in der Folge zu einem gemeinsamen Vorgehen zu kommen. Dank der Initiative des österreichischen Außenminister Graf Goluchowski konnte man sich auf eine Erklärung einigen, die der Doyen des Diplomatischen Korps in Konstantinopel der österreichische Botschafter Calice dem Sultan vortrug. "Sollten sie (die osmanische Regierung) der griechischen Mehrheit auf Kreta nicht Autonomie gewähren, werde es ernste Unruhen in ganz Thessalien, Epirus und Makedonien geben, und die Großmächte könnten gezwungen sein, einen neuen Kongress einzuberufen und den osmanischen Ländern eine neue Ordnung aufzuerlegen." 11 Diese Note an die Pforte hatte bewirkt. dass sich im Dezember 1896 die Lage wesentlich beruhigte, so dass sich die Kommission der Konsuln mit konkreten Maßnahmen, Im Detail beinhaltete der Vorschlag die Wiederherstellung der Gendarmerie im Sinne des Vertrages von Halepa und die Entsendung eines neuen Gouverneurs. Das Programm enthielt auch die Bestimmung dass zwei Drittel der öffentlichen Ämter mit christlichen Kretern zu besetzen seien, sowie die Reorganisation der Gendarmerie unter Aufsicht einer Kommission, die den Aufbau einer internationalen Gendarmerietruppe zum Schutz der der muslimischen Minderheit im Inselinneren zum Ziel hatte. |
Sultan Abdülhamit war mit allem einverstanden und unterzeichnete am 25. August das Dekret. Damit wäre der erste Schritt zur Normalisierung der Lage getan, wenn es nicht am Tag darauf zu einem verhängnisvollen Ereignis gekommen wäre. Eine Gruppe armenischer Extremisten überfiel die Zentrale der Ottomanischen Bank in Galata. Sie nahmen dabei eine Methode vorweg, deren sich unzählige Terrororganisationen in den folgenden hundert Jahren weltweit bedienen werden. Sie brachten Sprengladungen am Gebäude an, nahmen Geiseln und forderten ähnliche Rechte für die Armenier, wie den Kretern zugestanden würden. Dank der in ihrer Gewallt befindlichen Geiseln konnten die Terroristen entkommen. Den in Konstantinopel lebenden Armeniern gelang das nicht, als der aufgehetzte Pöbel über sie herfiel und in einem Tage dauernden Gemetzel zwischen 5000 und 6000 Menschen ermordet hatte. |
Unter dem Eindruck der Ereignisse in Istanbul hatten die Vertreter der Anschlussbewegung auf Kreta leichtes Spiel, die schwelende Rebellion am Köcheln zu halten, zudem die angesagten Reformen auf sich warten ließen. Denn außer dem Eintreffen des neuen christlichen Generalgouverneurs Berovich Pascha blieb vorerst alles beim Alten, lediglich das Reformprogramm der Kretischen Gendarmerie konnte dank des tatkräftigen Mitwirkung des österreichischen Generalstabsoffiziers Major Wladimir Giesl, vorangebracht werden.12 Anfangs Jänner 1897 war es den Extremisten gelungen, die Stimmung gegen die Türken und die muslimische Bevölkerung weiter anzuheizen. In der Nacht vom 1. auf 2. Februar 1897 brannten Christliche Kreter einige moslemische Dörfer nieder und es kommt zu zahlreichen Ausschreitungen gegen deren Bewohner, die sich in die Städte Kanea, Retimo und Kandia flüchten. Zwar versuchte eine auf Vorschlag des Konsularrates gebildete Beruhigungskommission eine weitere Eskalation der Ausschreitungen zu verhindern. Dieses Gremium, unter der Leitung des Schereffedin Pascha und deren Mitglieder, dem griechische Bischof von Candia, dem österreichischen Militärattaché Major Giesl, sowie gemäßigten Vertrauensleuten der Aufständischen, versuchte im Zuge einer Rundreise durch das Aufstandsgebiet, Ausschreitungen zu verhindern und fliehende Gruppen in Sicherheit zu bringen. Jedoch die Aufständischen zur zur Umkehr zu bewegen, war ein Ding der Unmöglochkeit - zu groß war die Begeisterung für einen Aufstand und der gegenseitige Hass der Bevölkerungsgruppen gediehen. (13) |
Am 31. Jänner 1897 kam es zu einer beispiellosen Greueltat in Canea.(104) Muslimische Türken massakrierten mehrere
griechische Notablen worauf die christlichen Bewohner von Canea und Retimo zu ihren Waffen griffen und somit der Bürgerkrieg endgültig zum Ausbruch kam. In einer Meldung des offiziösen Korrespondenz-Bureaus in Konstantinopel hieß es: Auf Ersuchen des österreichisch-ungarischen Konsuls Pinter wurden am 3. Februar die im Hafen von Piräus gelegenen Kriegsschiffe der Donaumonarchie, der Panzerkreuzer "Kaiserin und Königin Maria Theresia" und das Torpedoschiff "Sebenico" nach Kreta beordert, wo sie am 4. Februar 1897 vor Canea eintrafen.106 Auf Weisung des Konsulats sollten sie für die Sicherheit der Staatsbürger der Donaumonarchie und des Deutschen Reiches Sorge tragen. Eine weitere Eskalation bewirkte eine Proklamation der Aufständischen, in der sie die Annexion der Insel an dasGriechische Königreich und die Herrschaft des Osmanischen Reich über Kreta für null und nichtig erklärten. Als Bekräftigung wurde am 7. Februar in Halepa, wo sich die christlichen Aufrührer zur Entscheidungsschlacht gesammelt hatten, die griechische Nationalflagge gehisst. zurück zum Inhaltsverzeichnis |
Die Intervention der Griechen |
Inzwischen hatte sich eine Flotte von Kriegsschiffen der Großmächte versammelt, vorerst allerdings nur zum Schutz ihrer auf der Insel befindlichen Staatsbürger. Aus diesem Grunde, - zumindest nach Griechischer Auslegung, - befand sich auch das griechische Kriegsschiff Hydra, in der Bucht von Canea. Bald aber gesellte sich eine Flottille von Torpedobooten unter dem Kommando von Prinz Georg hinzu, der offenbar mehr im Sinn hatte, als Zivilpersonen zu evakuieren. Offensichtlich provozieren wollte auch der Kommandant der Hydra, indem er bei den Kapitänen der internationalen Flotte anfragen ließ, was sie davon halten würden, wenn er die Stadt unter Artilleriebeschuss nehmen würde. |
Dieses absurde Ansinnen wurde zwar nicht ernst genommen, führte aber dennoch zu einer unmissverständlichen Warnung der Großmächte an die griechische Regierung, dass ein derartiges Verhalten zum Krieg führen würde. Einen Krieg wollte man zwar provozieren, die Verantwortung aber den Türken überlassen. Diesen Gefallen wollte man den Griechen aber nicht erweisen, auch dann nicht, als der türkische Frachter Fuadmit Soldaten und Gendarmen an Bord beschossen wurde. Anstatt einer Kriegserklärung appellierte die Pforte an die guten Dienste der Großmächte und bat um eine energische Intervention.15 Nun lag es am Europäischen Konzert sich raschest auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, was den Botschaftern an der Pforte in kurzer Zeit mit folgender Erklärung auch gelang: Es besteht die Meinung, dass die bloße Behinderung feindseliger Akte nicht genügt, dass vielmehr in der Entfaltung der europäischen Flaggen auf Kreta selbst das einzige Mittel einer erfolgreichen Intervention zu finden und keine Zeit zu verlieren sei.16 Der österreichische Außenminister hatte bereits im Vorjahr erkannt, dass Griechenland die nächst beste Gelegenheit zur Annexion Kretas nützen würde und war mit dem Vorschlag an die Britische Regierung herangetreten, sich mit der Royal Navy den österreichischen, russischen, französischen und italienischen Flottenverbänden bei einer vorbeugenden internationalen Blockade Kretas anzuschließen, damit nicht griechische Nationalisten ihren Landsleuten zu Hilfe kämen. Aus Rücksicht auf die öffentliche Meinung über die Massaker an den Armeniern vom August 1896, hatte Premierminister Salisbury jedoch abgelehnt.17 Außenminister Graf Goluchowski sollte Recht behalten. zurück zum Inhaltsverzeichnis |
Die Landung |
Der Aufstand hatte den Presseberichten der zweiten Februarwoche zufolge, inzwischen die gesamte Insel erfasst, der Schwerpunkt der Kämpfe aber richtete sich auf die Hauptstadt Canea und die von den Türken gehaltenen Stützpunkte auf Akrotiri und Halepa. Am 15. Februar 1897 landete eine griechische Invasionstruppe von etwa 2000 Mann in der Bucht von Kolimbari. Es war die gleiche Stelle wo vor 450 Jahren die Türken die Eroberung der Insel begannen. Ihr Führer, der griechische Oberst Timoleon Vassos, - vormals Adjutant König Georgs, - erklärt "Im Namen seiner Majestät Georgs I., König der Hellenen, okkupiere ich die Insel Kreta und gebe dies ihren Einwohnern ohne Unterschied der Religion oder der Nationalität bekannt." In weiterer Folge seiner Proklamation versichert er der Bevölkerung, deren Ehre, ihr Leben und die Wohlfahrt zu schützen und ihre Religion zu respektieren und Frieden und Gleichheit der Rechte zu bringen. Da die Landung vorerst nicht bemerkt wurde, konnten die Griechen vereint mit den aufständischen Kretern die türkischen Forts auf der Halbinsel Akrotiri im Handstreich nehmen und die Griechische Flagge - nun weithin sichtbar über der Bucht von Canea - hissen Diesem Ereignis widmet die Wiener Abendpost vom 16. Februar einen ausführlichen Artikel, der nicht nur das große Interesse der Medien, sondern auch deren bemerkenswert präzise und schnelle Berichtedrstattung unter Beweis stellt. Berichten aus Athen zufolge hatte der griechische Kriegsminister, nachdem er sich von Vassos Erfolg überzeugt hatte, die Verantwortung über das Landungsunternehmen übernommen. Die gr5tiechische Invasionstruppe bestehend aus einem Infanterieregiment, einer Pionierkompanie und einer Batterie Feldartillerie hatte eine Stärke von etwa 2000 Mann. Diese eher zahlenmäßig bescheidene Truppe, sollte daher als reguläres Element der Landnahme einen legalen Charakter und der etwa 30 000 Mann z6ählenden Streitmacht der Aufständischen militärischen Rückhalt geben. Mangels einer militärischen Führungsspitze war ihr Kampfwert ´gering und kam lediglich in örtlichen Aktionen zum Tragen. Ihre Aktionen richten sich vorwiegend auf die meist wehrlose Muslimische Bevölkerung auf dem flachen Land. |
Dabei ging es schon längst um mehr, als die Annexion Kretas, zumal die Gelegenheit günstig war, die alten Gebietsansprüche auf Ostrumelien und Makedonien einzufordern. Zudem stand die Griechische Regierung unter Zugszwang, um einerseits den hartnäckigen Forderungen der Nationalisten nachzukommen und andererseits einen politischen Erfolg einzufahren, der dem nicht gerade populären Königshaus zu einem besseren Image verhelfen sollte. Die Absicht der Griechen, die Pforte zu einer Kriegserklärung zu provozieren war dank der Haltung der Großmächte, in deren Schutz sie sich begeben hatte, fehlgeschlagen. In seltener Eintracht mit der in Permanenz tagenden Botschafterkonferenz vereint, stand nun der Verhängung einer Seeblockade nichts mehr im Wege, auch der Einsatz von Landungstreitkräften auf der Insel wurde nun in Erwägung gezogern. In einer Kollektivnote vom 4. März wurde der Pforte und Griechenland mitgeteilt, dass ein Anschluss Kretas an das Königreich Griechenland nicht in Frage komme, sondern unter der Aufsicht der Großmächte einen autonomen Status erhalten solle. Gleichzeitig erging an Griechenland die Aufforderung, seine Streitkräfte unverzüglich abzuziehen, widrigenfalls man die Blockade auch auf die griechischen Häfen ausdehnen würde.18 zurück zum Inhaltsverzeichnis |
Die Seeblockade und der Admiralsrat |
Als die Blockade am 21. März in Kraft trat, waren insgesamt 70 Schiffseinheiten in den Gewässern um Kreta versammelt. Großbritannien stellte mit 20 Schiffen das stärkste Kontingent, gefolgt von Italien mit 18 Einheiten. Österreich mit 16 Kriegsschiffen aller Klassen als drittstärkste Kraft ist kein Zufall, sondern entspricht dem damalige Kräfteverhältnis der Seemächte im Mittelmeer. Frankreich mit 10 und Russland mit 8 Schiffen lassen immerhin ihr großes Interesse an einer wirksamen Seeblockade erkennen. Mit dem Kreuzer "Kaiserin Augusta" war der Beitrag Deutschlands, das als aufstrebende Seemacht den Briten bereits Konkurrenz zu machen begann, eher bescheiden, aber auch nicht zufällig. Der Grund für diese Zurückhaltung war eine Militärmission des deutschen Reichs, die mit der Reorganisation der türkischen Armee beschäftigt war, eine Tatsache, die in der Folge des Geschehens noch ihre Auswirkungen haben wird. 19 Das militärisches Oberkommando wurde vom Admiralsrat wahrgenommen, dem die 6 ranghöchsten Kapitäne der internationalen Flotte angehörten, den Vorsitz führte der italienische Admiral Canevaro. |
Als Antwort an die Landung der Griechen verfügte der Admiralsrat noch am selben Tage die Entsendung von Marinetruppen in die Hauptstadt Canea, wie der österreichische Konsul Pinter meldet: um 9 Uhr werden auf den Wällen Caneas die Flaggen der Großmächte neben der ottomanischen gehisst. Weniger optimistisch klingt die Feststellung, drei Stunden von Canea entfernt stehen drei Bataillone griechischer Truppen mit 2 Geschützen.20 Der Admiralsrat, - ursprünglich als Provisorium eingesetzt, sollte bis 1908 die Kontrolle über die Insel ausüben, - war die oberste Behörde für alle nach Kreta entsandten Schiffe und Truppen mit folgenden Aufgaben: |
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Von den sechzehn österreichischen Schiffeinheiten sind hier einige Schiffe verschiedener Klassen abgebildet: (Alle Bilder aus www.kuk-kriegsmarine.it) |
S.M.S. Erzherzogin Stephanie |
S.M.S Kaiser Franz Josef |
Torpedokanonenboot S.M.S. Satellit |
> S.M.S. Leopard Kleiner Kreuzer (Torpedoschiff)2 - 12 cm Geschütze; 10 - 4,7 cm Schnellfeuerkanonen |
Das von den Großmächten mit der Pforte ausgehandelte Mandat des Admiralsrats bestand somit eindeutig aus Schutzmaßnahmen zugunsten der Türken, und da deren Behörden unter den gegebenen verhältnissen kaum in der Lage waren, ihren Verwaltungsobliegenheiten nachzukommen, hatte der Rat weitgehende Vollmachten aber keine Befugnis zur Ausübung einer Gerichtsbarkeit. Erst Monate später im August wurde wurde mit Billigung der Pforte ein Admiralsgericht, bestehend aus Vertretern der sechs Mächte, eingesetzt, während eine Militärkommission für Internationale Polizeials Exekutivorgan seine Arbeit aufnahm.
Damit hatten die Großmächte neben ihren militärischen Aufgaben auch die Polizeigewalt und Gerichtsbarkeit übernommen:
Commission militaire de police internationale setzte sich aus je einem Offizier der Großmächte zusammen, als Rechtsgrundlage diente dasdas italienische Militärstrafgesetz. |
Am 18. März erließ der Admiralsrat eine Proklamation, mit welcher der Bevölkerung die Absichten der Großmächte mitgeteilt wurden. Kernpunkt war die Zusage der vollständigen Autonomie unter der Suzeränität (= Schutzherrschaft) des Sultans, und in ihren inneren Angelegenheiten vollkommen frei von jeder Kontrolle der Pforte zu sein. Neben der Aufforderung zur Niederlegung der Waffen, stand auch die Zusicherung, jedem Einzelnen ohne Unterschied der Rasse und Konfession die Freiheit und Sicherheit seines Eigentums zu gewährleisten. (21) Am Tag vor der Kundmachung wurde ein griechischer Schoner beim Ausladen von Kriegsmaterial vom österreichischen Torpedoboot Sebenico versenkt, nachdem die Griechen das Feuer eröffnet hatten. Inzwischen hatten die Regierungen der Großmächte die vom Admiralsrat angeforderten Truppenverstärkungen beschlossen und ihre Kontingente in Marsch gesetzt. Bis zum 26. März hatten die internationalen Landstreitkräfte haben eine Stärke von insgesamt 6570 Mann erreicht, im Einzelnen waren das 1595 Russen, 1540 Franzosen, 1440 Italiener, 1310 Engländer und 675 Österreicher. Die 10 deutschen Soldaten entsprachen genau dem schon eingangs erwähnten Zurückhaltung im Hinblick auf das Engagement der Deutschen Militärmission, dessen erste Ergebnisse das Europäische Konzert vor neue Aufgaben stellen werden. Während die internationalen Verbände ihre Einsatzräume bezogen, kamen die Großmächte auf Drängen des Admiralsrates überein, die Blockade auch auf das griechische Festland auszudehnen. Dies schien erforderlich, die Griechen zum Abzug ihrer Truppen aus Kreta zu bewegen. zurück zum Inhaltsverzeichnis |
Die Internationale Friedenstruppe |
Unter dem Eindruck der Invasion Kretas durch griechische Truppen und dem zügigen Vorgehen mit den Aufständischen musste der Admiralsrat zur Kenntnis nehmen, dass die zum Schutz der ausländischen Staatsangehörigen und bedrohten einheimischen Volksgruppen eingesetzten Marineeinheiten weder zahlenm,äßig noch hninsichtlich iherer Bewaffnung imstande wären, ihren Schutz- und Ordnungsaufgaben nachzukommen. Der Admiralsrat machte daher den Vorschlag, zur Verstärkung der bisher eingesetzten Marinedetachements Landstreitkräfte zu entsenden. der Mächte auf Kreta ersucht: Diese Abteilungen haben die Bestimmung, jene Matrosen-Detachements abzulösen, welche gegenwärtig die Hauptorte der Insel sichern und bei Beginn der Blockade wieder eingeschifft werden müssten. Nach kurzer Zeit war englisches und französisches Bataillon bereits auf dem Seetransport nach Kreta unterwegs, ein russisches Bataillon war bereit von Odessa in See zu stechen. Das k.u.k. Kriegsministerium beschließt die Entsendung eines Bataillons des Infanterieregiments 87. green Am 25. März wird das 2. Bataillon IR. 87 in Triest eingeschifft und erreicht ende März Kreta. Der Tagesbericht der Abendpost vom 26. März bringt ein anschauliches Lagebild dieser Tage. Bis Mitte April haben alle Kontingente in den verschiedenen Landesteilen ihre Positionen bezogen. |
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Die Kommandeure der internationalen Friedenstruppe Österreich-Ungarn: |
Die nationalen Truppenkörper wurden nicht geschlossen eingesetzt, sondern auf die Blockaderayons der Flotteneinheten verteilt und den dortigen Marinebefehlshabern unterstellt.
Österreich
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Frankreich
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Großbritannien
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Italien
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Russland
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Mit einer gemeinsamen Parade am 15. April soll die Schlagkraft und Disziplin der Friedenstruppe unter Beweis gestellt werden. Während die internationalen Verbände ihre Einsatzräume bezogen, kamen die Großmächte auf Drängen des Admiralsrates überein, die Blockade auch auf das griechische Festland auszudehnen, da sich Griechenland weigerte, seine Truppen aus Kreta abzuziehen.
Die Einsatzräume der internationalen Truppen
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Vom Beginn an stand der Admiralsrat vor der Frage, wie mit den Aufständischen Kretern umgegangen werden soll. Wenn auch die offizielle Politik der Großmächte eindeutig die Interessen der Pforte vertrat, wurde den Aufständischen seitens der nationalen Kräfte, bzw ihrer Vertreter, vielfach Sympathie oder zumindest Verständnis entgegengebracht, wie der österreichische Militärattaché Major Giesl in einem Brief an seine Frau feststellt:Mir ist um die Cretenser u. Griechen leid, weil sie von allen 6 Großmächten vergewaltigt werden und helfe ich ihnen wo ich kann.23
Angesichts der gegenseitigen Ausschreitungen folgte jedoch bald die Erkenntnis, dass beide Seiten gleichermaßen verantwortlich sind und das Mitgefühl primär der verfolgten Bevölkerung zu widmen sei.
Als leitendes Mitglied der auf Vorschlag des Konsularrates gebildeten Beruhigungskommission, die in einer mehrtägigen Rundreise einen konkreten Überblick zu gewinnen suchte, hatte er seine ursprüngliche Einstellung geändert:
Die Zustände, deren Augenzeugen wir in diesen Tagen wurden, spotteten jeder Beschreibung und zeigten die entsetzliche Bedrängnis in der der jeweilig in der Minorität befindliche Bevölkerungsteil um sein Dasein ringen mußte.
Viele Dörfer standen in Flammen, andere waren verlassen und ausgeplündert. Wir begegneten zahllosen, mit ihren Familien flüchtenden Mohammedanern, die ihr Hab und Gut auf Tragtieren verladen hatten; oft
zählten solche Scharen bis zu tausend Menschen, die sich aus mehreren Ansiedlungen zusammengefunden hatten, um unter dem Feuerschutz der Besatzung eines türkischen Blockhauses das Netz der herbeieilenden Insurgenten zu zerreißen und Kandia zu erreichen. Auf den Bergkuppen sammelten sich Gruppen von Aufständischen; unaufhörlich knatterten im Umkreise ihre Flinten. Unmöglich zu erkennen, wer an einem Punkte der Angreifer, wer der Überfallene war.
Unter solchen Umständen ließ sich unsere Mission kaum erfüllen. Dennoch erreichten wir durch Verhandlungen mit Bandenführern den freien Abzug einer oder der anderen Flüchtlingskolonne oder konnten eingeschlossene Dörfer aus der Umzingelung befreien. 24
Mit der Landung regulärer griechischer Truppen, bekam die bisherige Lage eine neue Qualität. Musste sich die Großmächte bisher auf rein humanitäres Eingreifen bzw. auf Schutzmaßnahmen beschränken, befand man sich plötzlich im Kriegszustand.
Vereint mit Auffständischen wurden sofort alle auf der Vormarschstraße gelegenen türkischen Stützpunkte und Festungen angegriffen oder belagert, wie die von etwa 800 Türken besetzten Festungen Vukolies und Aghia. Während Vukolies am 20. Februar erobert wurde, konnte sich die Besatzun von Aghia nach Kanea absetzen, wie die Wiener Abendpost vom 22. Februar berichtet.
Nachdem weder die Griechische Regierung bereit war, ihre Truppen sowie ihre Flotteneinheiten abzuziehen, noch Oberst Vassos der untimativeb Aufforderung des Admiralrats, seinen Vormarsch einzustellen, folge leistete, sahen sich die Großmächte iherersets zur Anwendung von Waffengewalt gezwungen.
Der Auftakt war dier Versenkung eines griechischen Frachters - wenn auch noch vor offiziellem Blockadebeginn, so doch im Einklang mit der ultimativen Androhung von Waffengewalt.
Primär galt es, die Aufständischen am Vormarsch gegen die Hauptstadt und deren Besetzung zu hindern. Nachdem sie mit Hilfe von Vassos Truppen bis Haleppa vorgedrungen waren und die türkische Garnison sich auf die Festung zurückgezogen hatte, war Kanea praktisch bereits in ihrer Hand, und somit auch der Anschluss an Griechenland zumindest symbolisch vollzogen.
Praktisch nur von einigen hundert Seeleuten besetzt und von den Türken, die sich in Ihrer Festung verschanzt hatten aufgegeben- über die Entsendung von Landstreitkräften hatten die Großmächte noch nicht entschieden - war Kanea den Angriffen von Vassos Truppen von Westen und von den Insurgenten von Osten schutzlos ausgeliefert. Den Admiralen blieb daher nur die Alternative die Angreifer durch Sperrfeuer aus den Schlachtschiffen am Vorrücken zu hindern.
Am 21. Februar, als die Geschütze der grierchischen Invasionstruppen das Feuer auf die türkische Festung eröffnet hatten, begann auch das britische Schlachtschiff aus seinen 6 Zoll Geschützen zu feuern.
Das Bombardement, dem sich auch andere Schiffseinheiten anschlossen war gleichermaßen kurz wie wirkungsvoll: Die Belagerer wurden vertrieben und fürs Nächste von ihrem Vorhaben, Kanea zu erobern, abgehalten, wie die Wiener Abendüpüost vom 24. Februar berichtet.
Dass dieses nicht besonders spektakuläre Kampfverhalten der Insurgenten zu einem Heldenepos werden konnte, ist einem Mann, namens Spyros Kayales zu verdanken. Er soll, als die von den Insurgenten gehisste griechische Flagge, nachdem der Flaggenmast von Artillerietrerffern zerbrochen war mit seinen Händen hochgehalten haben, worauf die Kriegsschiffe das Keuer eingestellt und über die Heldentat in lautem Jubel ausgebrochen sein.
Spyros Kayales mag tatsächlich die Fahle in den Wind gehalten haben, was seinen Ruhm keineswegs sc hmälern soll - nur alles weitere ist Legende und patriotische Übertreibung.
Konteradmiral Harris berichtet dass nach 3 Salven, bei denen gewöhnliche, mit Schwarzpulver geladenen Sprenggranaten, sowie Schrapnells verschossen wurden, die griechische Flagge eingeholt wurde und darauf das Feuer eingestellt wurde. Dass sie von einem Menschen hochgehalten wurde, konnte bei einer Entfernung von mehr als 4 Kilometern, noch dazu bei der enormen Rauch und Staubentwicklung der Artillerieeinschläge, nicht zu sehen wie das Jubelgeschrei auf den Schiffen zu hören sein.
Eine der spektakulärsten Militäraktionen noch vor dem Eintreffen der internationalen Landtruppen war die
Evakuierung der muslimischen Kreter und türkischen Soldaten aus Kandanos.
Kandanos, zur Zeit die bedeutendste Ansiedlung muslimiswcher Kreter im Verwaltungsbezirk Selino, wurde seit der Landung der Griechischen Invasionstruppen von den Aufständischen belagert. Nachdem wenige Tage zuvor etwa 100 muslimische Flüchtlinge aus Sarakina beim Versuch Fort Selino zu erreichen in einen Hinterhalt geraten und abgeschlachtet wurden, bestand die Gefahr, dass es in Kandanos zu einem ähnlichen Massaker kommen könnte, falls die türkische Garnison fallen würde.
Nachdem ein Versuch des Admiralrats, die Aufständischen zur Freigabe der Eingeschlossenen zu bewegen mit dem Argument, einzig Oberst Vassos könne über das Schicksal der Eingeschlossenen entscheiden, gescheitert war, 25 entschloss sich der Rat zu einer bewaffneten Befreiunsaktion.
Am 7. März 1897 vereinigten sich vor Selino eine internationale Schiffseinheit, bestehend aus dem österreichischen Turmschiff "Stephanie", dem englischen Schlachtschiff "Rodney", dem französischen Kreuzer "Chanzy", dem italienischn Kreuzer "Vesuvio" und das russische Turmschiff "Sissoj Welikij".26 Aus den Mannschaften dieser Kriegsschiffe wurde eine durch 4 Feldgeschütze verstärkte Kampfgruppe aus 220 Briten, je 100 Österreichern, Franzosen, Russen und 50 Italienern formiert.
Den militärischen Oberbefehl über das Landungsunternehmen führte der englische Linienschiffskapitän Rainier von der Rodney,
die österreichisch-ungarische Truppe stand unter dem Befehl von Linienschiffslieutnant Franz Martinak.
Als Vertreter des Admiralrats fungierte der britische Konsuls Sir Alfred Biliotti, der die Verhandlungen mit den Führern der Aufständischen führte.
Die Landung der Truppe am 7.März bei Fort Selino, das noch von den Türken gahalten wurde, verlief problemlos, wie auch der lange Anmarsch über die schmale Straße in das Landeinnere.
An der Spitze der Marschkolonne, deren Reihenfolge durch das Los bestimmt war, marschierten die Italiener, gefolgt von den Österreichern, Franzosen,
Russen und Engländern.
In Spaniakos, einem verlassenen Dorf, das die Türken noch mit einern Vorposten sicherten, wurde genächtigt und der Marsch am Folgetag bis Kakodiki, einem von Aufständischen besetzten Dorf fortgesetzt. Hier wurden auch die entscheidenden Verhandlungen mit den Führeren der Aufständischen geführt, die schließlich dem freien Abzug der muslimischen Zivilisten und dem türkischen Militär, das seine Waffen behalten durfte, zustimmten.
Tatsächlich aber hielten sich die Insurgenten wenig an die Abmachungen. Um eine gesicherte Marschformation einzunehmen, war vereinbart, dass zwischen je 25 Matrosen 200 Türken marschieren sollten. Wie die Evakuierung tatsächlich verlief gibt ein Augenzeugenbericht:
Nach 2 Stunden waren wir vor Kandanos auf der Straße aufgestellt und erwarteten den Abzug der Türken. Allein dazu kam es nicht. Die uns umstehenden Insurgenten schrieen Sieg und von der türkischen Bevölkerung, die man wegen zwischenstehender Bäume nicht sehen konnte, hörte man fürchterliches Jammergeschrei, einzelne Schüsse fielen, Rauchsäulen stiegen aus den vereinzelnten Häusern hervor.
Wir mußten angetreten stehen und dies ansehen, denn hätten wir damals auf die Insurgenten geschossen, so wären wir ihnen gewiss unterlegen. Als die gesammte türkische Garnison mit ihren Waffen und Gepäck in zerfetzter Kleidung mit einigen Verwundeten abgezogen war, schloß der Rest der europäischen Truppen an und setzte sich in Bewegung. Wer nicht vor uns war, blieb den Insurgenten preisgegeben, und dass es Opfer gab, ist sicher, denn mit uns waren etwa 600 Seelen ausser dem türkischen Militär marschiert, und hinter uns hörten wir noch lange Zeit Schüsse fallen. Was mag wohl mit dem Rest geschehen sein?27
Der britische Konsul Sir Alfred Biliotti schildert die Aktion weniger dramatisch, wie sein Telegramm vom 10. März an das Britische Unterhaus lautete:
"Haben heute erfolgreich, aber unter hohem militärischen Risiko die Evakuierung von 523 Männern, 1047 Frauen und Kindern, sowie 340 türkische Soldaten der Ortschaft Kandonos durchgeführt. Auf dem Rückweg wurden weitere 112 Soldaten und Zivilisten aus dem Blockhaus Spaniako aufgenommen. Nun sind wir dabei aus dem Fort Selino etwa 1000 Personen zu evakuieren und einzuschiffen, da ein Angriff der Christen auf Selino droht."28
Tatsächlich kam es hier zum Gefecht, bei dem die Aufständischen durch Geschützfeuer und einem Bajonnettangriff vertrieben werden konnten.
Mögen die Schilderungen der beiden Augenzeugen hinsichtlich der einschätzung der Opfer auseinander liegen, in militärischer Hinsicht war das Unternehmen von vornherein vom infanteristischen Kampfwert problematisch, und daher riskant, wie der britische Konsul und Zivilist Biliotti erkannt hatte.
Seeleute sind nun keine marschgewohnten Infanteristen, und schon gar nicht für den Infanteriekampf ausgebildet.
Ehe die Pforte am 9. April den Griechen den Krieg erklärte, ließ sie sich jedoch von den Großmächten bescheinigen, dass die Grenzverletzungen der Griechen als völkerrechtswidriger Akt zu werten sei.
Ein erster Vorstoß der griechischen Armee am Meluna-Paß wurde durch zahlenmäßig überlegene türkische Verbände aufgehalten, die dank des neuen Mobilisierungssystems ihre Kräfte für die Griechen völlig überraschend konzentrieren konnten.
Der ebenso unerwartete Gegenangriff traf die griechische Front am 23. April, dem vierten Tag des Krieges bei Larissa mit voller Wucht:
In wenigen Minuten verwandelte sich die Armee von einer organisierten und disziplinierten Einheit in eine brodelnde, unorganisierte Masse, die Hals über Kopf über die Ebene in Richtung Larissa floh, über eine Entfernung von fast vierzig Meilen, beschrieb Prinz Nikolaus, dritter Sohn König Georgs seine Feuertaufe als Kommandeur einer Artillerieabteilung. Das ganze Debakel selbst hatte sein Bruder Kronprinz Konstantin zu verantworten, der den Oberbefehl hatte.
Kurz vor den Thermophylen gelang es zwar den Griechen sich zu sammeln und die Türken bei Valestino zum Stehen zu bringen. Nach einer weitere Niederlage bei Pharsalos und der Besetzung des Hafens von Volos durch die Türken, waren die Griechen gezwungen um Waffenstillstand anzusuchen. Der konnte schließlich Über die Vermittlung der Großmächte am 30. Mai 1897 unterzeichnet werden.
Das Bemerkenswerte an diesem kurzen Krieg waren nicht nur die überraschenden militärischen Erfolge der Türken, sondern auch die Tatsache, dass er sozusagen unter der Aufsicht der Großmächte geführt wurde.
Der Griechisch-Türkische Krieg, der eigentlich schon mit der versuchten Okkupation Kretas am 15. Februar 1897 begonnen hatte, endete mit der Unterzeichnung des Vertrags von Konstantinopel am 4. Dezember 1897.
Der Krieg kostete etwa 2.000 Menschenleben, davon etwa 1500 türkischen und 600 griechischen Soldaten und irregulären Kombattanten das Leben.
Politisch endete der Krieg wie das Hornberger Schießen, bei dem einzig die Kreter profitierten.
während die siegreichen Tüprken die eroberten Gebiete wieder räumen mussten, die unterlegenen Griechen, obwohl seit 1893 bankrott, eine horrende Kriegsentschädigung zahlen mussten, wurde Kreta ein vollkommenes Autonomiestatut zugesichert.
Über dem ganzen polischen Konstrukt stand Vormundschaft der Großmächte, die Gewinner wie Verlierer an der Leine hielten:
Um künftig jede Störung oder Verschleppung des Entwicklungsprozesses zu unterbinden, wurde Kreta unter internationale Verwaltung gestellt, deren Tätigkeit durch eine internationale Truppe gewährleistet werden solle.
Die Türken taten zwar alles, sich zu spreizen, indem sie den ehemaligen Großwesir Djevad Pascha als neuen Militärkommandanten nach Kreta schickten, der einerseits mit ausgesuchter Höflichkeit den Admiralsrat hoffrierte, gleichzeitig aber die gewohnte Taktik der Verschleppung zu praktizieren verrsuchte.29
Was die selbsternannte Schutzmacht Griechenland anbelangt, hatte diese bei den Kretern mit zunehmender Normalisiewrung und Aufleben des Wirtschafts- und Geschäftslebens, an Prästige verloren.
Seit dem Ausbruch der Unruhen, vorallem der beiderseitigen Greueltaten hat das Rechtswesen praktisch aufgehört zu existieren.
Weder Staatsanwaltschaft, Gerichte, noch die Gendarmerie - auch nicht unter der Führung eines englischen Kommandanten - waren in der Lage, für Recht und Ordnung zu sorgen.
Der Admiralsrat sah sich daher gezwungen, nicht nur die Polizeigewalt zu übernehmen, sondern auch die Gerichtsbarkeit auszuüben.
Seit Mitte Februar 1897, als der Admiralsrat Marineruppen zum Landeinsatz beordert hatte, hatte er auch die Versntwortung für deren Sicherheit sowie die für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in deren Einsatzbereich übernommen. Hierzu wurden höhere Marineoffiziere als Ortskommandanten berufen:
Für die Stadt Canea und ihre Umgebung war dies der italienische Linienschiffskapitän Amoretti. Seine Ordnungstruppe, die vorerst aus einer Kompanie russischer und italienischer Matrosen bestand, konnte nach dem Eintreffen der internationalen Landstreitkräfte, um drei Kompanien Bersaglieri, eine Kompanie Carabinieri, je zwei britische und französische, sowie eine österreichische Infanterie-Kompanie erweitert werden. Mit 11. Juli 1897 war das Gendarmeriekorps auf 1190 Mann angewachsen. 30
In einer Sitzung vom 12. Aug. 1897 fasste der Admiralsrat schließlich den Beschluß, die Gerichtsbarkeit in einer Art Summar-Justiz auszuüben. Darunter verstanden die Agmirale ein vereinfachte, dem Militärecht ähnliche Rechts- und Stafvollzugsordnung, wobei den auf Kreta akkreditierten Konsuln als Appellationsinstanz, ein Einspruchsrecht eingeräumt wurde. Als oberste Instanz hatte der Admiralsrat vor Eintritt der Rechtskraft eines Urteils darüber zu entscheiden.
Vorsitzender der Gerichtskommission war der Ortskommandant von Kanea, dem je ein Offizier der sechs Mächte, sowie ein türkischen Offizier beigegeben waren. Als Rechtssystem galt das italienische Recht.
Durch diese, nach heutiger Auffassung fragwürdige, weil aufoktruierte Rechtsordnung wurde die internationale Truppe praktisch zur Besatzungsmacht, eine Tatsache, die im krassen Widerspruch zur beabsichtigten Verleihung der vollen Autonomie Kretas stand.
So sah das auch der österreichischen Konsul Pinter, der bezweifelte, ob den Admiralen ohne Verhängung des Belagerungszustandes und des Standrechtes, unter dem von der Pforte erteiltem Mandat, das Hohheitsrecht einer eigenen Rechtssprechung zustünde.31
Der darauf folgende Protest der Pforte wegen Verletzung der Hoheitsrechte des Sultans ließ auch nicht lange auf sich warten. Außenminister Tevfik Pascha erklärte am 7.9.1897: Durch diesen Beschluß haben die Admirale in ausdrücklicher
Form Befugnisse und Prärogative übernommen, die ausschließlich der souveränen Macht vorbehalten sind.
Dieses Verhalten der Admirale steht in Widerspruch sowohl mit den ... gefaßten Beschlüssen hinsichtlich der Angelegenheiten Kretas als auch mit der der (osmanischen) Regierung geschuldeten Achtung für die konziliante Haltung gegenüber den Großmächten Die Kaiserliche Regierung hat die Landung fremder Truppen tatsächlich nur auf Grund der Versicherungen zugelassen, daß diese nur die Aufgabe hätten, den lokalen Behörden Unterstützung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Ruhe zu leihen; wenn sie den Vorschlag betreffend die Autonomie angenommen hat, entsprang das ihrem Wunsch, die Verwirklichung dieses Ziels zu beschleunigen.32
(1) Der Frieden von San Stefano bestimmte die sofortige Unabhängigkeit von Serbien, Montenegro und Rumänien. Bulgarien sollte um Ostrumelien und Makedonien bis an die Ägäis ausgedehnt werden, zwei Jahre unter russischer Besatzung stehen und anschließend ein autonomes, aber der Türkei tributpflichtiges Fürstentum werden. Russland sollte in Europa Teile von Bessarabien (für die Rumänen mit der Dobrudscha entschädigt werden sollte) und in Kleinasien Teile von Armenien sowie die osmanischen Provinzen Kars, Batum und Ardahan erhalten. - (zurück zum Text)
(2) Im Organischen Reglement wurden Mitte des 19. Jahrhundert erstmals Aufgaben der Verwaltung, der Justiz und des Militärs gegenüber der christlichen, bzw. nicht muslimischen Bevölkerungim Osdmanischen Reichdefiniert. Ursprünglich vorwiegend für die Donaufürstentümer bestimmt, wurde es ab 1878 der Pforte von den Großmächten zur bindenden Verwaltungsreform innerhalb des osmanischen Reichs gemacht. - (zurück zum Text)
(3) Vilayet (arab. wilâya = Herrschergewalt) Großprovinz des Osmanischen Reiches in der Reformperiode ab 1845, aus mehreren Sandschaks bestehend.
Was die erwähnte Araberkolonie anbelangt, dürfte es sich dabei um ägyptische Einwanderer vom nahen afrikanischen Festland handeln, zumal Kreta von 1821 zwanzig Jahre unter ägyptischer Verwaltung stand. - (zurück zum Text)
(4) Die Hohe Pforte war ursprünglich im Arabischen Sprachraum die allgemeine Bezeichnung der Eingangspforte zu Städten und königlichen Palästen, später insbesondere die zum Sultanspalast in Konstantinopel. Ab dem 18. Jahrhundert wurde der Begriff zur Bezeichnung des Sitzes des osmanischen Großwesirs, beziehungsweise der Osmanischen Regierung. im Gegensatz zum Hof des Sultans, - yildiz, verwendet. - (zurück zum Text)
(5) Kollektivaktionen der Mächte des Europäischen Konzert - Seite 39 (Goluchowski an Pinter, Wien 27.5. 1896 PA 12, 277). - (zurück zum Text)
(6) Ebenda - Seite 39 (Marine-Sektion des Kriegsministeriums an "Maria Theresia" in Canea, Wien 10. 8. 1896, PA 12, 279). - (zurück zum Text)
(7) Alan Palmer, Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches, München 1992 - Seite 263-(zurück zum Text)
(8)- Ebenda - Seite 43 - Sinngemäße Übersetzung des frazösischen Textes der Kollektivnote der Botschafter. - (zurück zum Text)
(9) Kollektivaktionen der Mächte des Europäischen Konzert - Seite 49 - Erlass Goluchowsky an den österreichischen Botschafter in London, um Salisbury umzustimmen. - (zurück zum Text)
(10) Kollektivaktionen der Mächte des Europäischen Konzert - Seite 50 (Zirkularnote Goluchowskis, Wien, 31. 7. 1896, PA 12,278). - (zurück zum Text)